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Interview mit Michael Reichelt vom Statistischen Landesamt Sachsen-AnhaltWelchen Nutzen hat die amtliche Statistik?

Immer wieder äußern Handwerksunternehmer ihren Unmut über statistische Berichtspflichten. Auskunft dazu gibt der Präsident des Statistischen Landesamtes, Michael Reichelt, in diesem Interview.

Frage: Viele – insbesondere kleinere – Unternehmen beklagen Zahl und Aufwand ihrer statistischen Meldepflichten. Was sagen Sie denen: Welche Gegenleistung bekommen sie dafür zurück?

Reichelt: Das verstehe ich durchaus, denn die Befragungen durch das Statistische Landesamt sind ja sozusagen nur eine Seite der Medaille. Hinzu kommen auch noch Finanzämter, Gewerbeämter, Krankenkassen und andere Behörden und Institutionen, die vieles wissen und gemeldet haben wollen. Bezogen auf die amtliche Statistik hat aber gerade für Kleinunternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, das sind in Sachsen-Anhalt immerhin rund 67.600 oder auch für Existenzgründer, das Mittelstandsentlastungsgesetz von 2007 durchaus Erleichterungen gebracht. Auch werden aktuell z. B. von den ca. 120.000 Einbetriebsunternehmen in Sachsen-Anhalt nur rd. 6 % zu einer Erhebung und weitere 3 % zu mehr als einer Statistik befragt. Dort wo möglich, werden zudem verstärkt Verwaltungsdaten genutzt und die Unternehmen nicht direkt befragt.

Michael Reichelt, Präsident des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt.
Statistisches Landesamt
Michael Reichelt, Präsident des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt.

Nichtsdestotrotz sind aber auch Erkenntnisse über die Situation kleinerer Betriebe, gerade bei einer Wirtschaftsstruktur wie sie in Sachsen-Anhalt existiert, sehr wichtig. Nur so können für manche Wirtschaftszweige oder für bestimmte Regionen repräsentative Aussagen getroffen werden. Ausgehend von diesen Erkenntnissen kann die Politik dann z. B. über die Verteilung von Zuschüssen oder zielgerichtete Förderprogramme entscheiden. Den Unternehmen selbst geben die Auswertungen auch die Möglichkeit, sich in ihrem Bereich mit Mitbewerbern zu vergleichen.

Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Statistiken und Auswertungen die Landespolitik besser machen?

Unser Anspruch ist es, als neutraler Dienstleister qualitativ hochwertige Daten und Auswertungen bereitzustellen und faktenbasierte Entscheidungen sind in der Regel besser, egal ob in der Wirtschaft oder der Politik. Aus den zahlreichen Anfragen der Ministerien an uns schließe ich zudem, dass unsere Angebote auch gern angenommen und Entscheidungen in vielen Lebensbereichen auf unsere Erkenntnisse gestützt werden. Manches kann überhaupt erst auf Basis der Zahlen aus der amtlichen Statistik geregelt werden. Ohne die Bevölkerungsstatistiken und die Bevölkerungsprognose könnte z.B. nur schwer eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob in den Kommunen Schulen oder Altenheime geplant werden sollten, auch die Verteilung der Landeszuschüsse für die Kindertagesstätten hängt von diesen Angaben ab. Ohne die Wirtschafts-und Investitionsstatistiken könnte keine konkrete Förderpolitik gestaltet und begründet werden. Die finanzielle Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien oder der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude und Infrastrukturen basiert bei der Beantragung auf den Ergebnissen der Energie- und Bevölkerungsstatistiken. Aus all diesen Entscheidungen resultieren dann möglicherweise Aufträge für die Unternehmen im Land. Und nicht zuletzt, für die Befreiung von der EEG-Umlage benötigen die Unternehmen in den berechtigten Wirtschaftszweigen eine Bescheinigung von uns, dass sie diesem Wirtschaftszweig angehören.


Schauen wir beispielsweise auf die "vierteljährliche Verdiensterhebung". Was geschieht mit diesen Daten genau? Wie werden diese Angaben weiterbearbeitet und welches – idealerweise nützliches – Ergebnis steht am Ende?

In diesem Bereich gibt es aktuell eine grundlegende Neuerung und Vereinfachung. Die drei bisherigen Verdiensterhebungen wurden zu einer neuen monatlichen Verdiensterhebung ab Januar 2022 zusammengefasst. Gleichzeitig wurde nicht nur die Anzahl der Erhebungsmerkmale reduziert, sondern diese auch an die Vorgaben der Entgeltbescheinigungsverordnung angepasst, denn diese Daten liegen in den Betrieben in der Regel digital vor. Die Statistik wird damit künftig aus Angaben erstellt, die ohnehin in der Lohnabrechnungssoftware und als Personalstammdaten vorhanden sind. Extra Berechnungen oder ähnliches sind in den Unternehmen nicht mehr erforderlich. Der Betrieb kann die Meldung über ein Online-Meldeverfahren automatisiert, sozusagen per Knopfdruck, aus der Lohnabrechnungssoftware direkt an die Statistik übermitteln. Darüber hinaus kann durch automatisierte Plausibilisierungs- und Imputationsverfahren auf Rückfragen durch die Statistik weitestgehend verzichtet werden. Dass dies eine Arbeitserleichterung ist, liegt, glaube ich, auf der Hand. Gleichgeblieben ist, dass die Daten nach dem Eingang bei der amtlichen Statistik plausibilisiert und stets unter den Vorgaben der statistischen Geheimhaltung weiterverarbeitet werden. Sie geben am Ende ein realitätsnahes und aktuelles Bild der Verdienste, nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern in ganz Deutschland und ermöglichen Vergleiche, z.B. zum durchschnittlichen Verdienstniveau einzelner Branchen und Verdienstgruppen, der Anzahl der vom Mindestlohn betroffenen Personen oder zum Gender Pay Gap, dem Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern.


Welche Abfrage bringt aus Ihrer Sicht die aussagekräftigsten Ergebnisse? 

Alle Statistiken liefern für ihren Bereich belastbare und aussagekräftige Ergebnisse. Daher möchte ich hier keine Abstufung vornehmen, weil alle Erhebungen, egal wie groß oder klein, einen wichtigen Anteil haben, um in der Gesamtheit verlässliche Aussagen treffen zu können.


Und umgekehrt: Haben Sie persönlich einen Streichkandidaten bei den statistischen Meldepflichten?

Wesentliches Merkmal der amtlichen Statistik ist, dies unterscheidet uns von Umfrage- und Meinungsforschungsinstituten, dass grundsätzlich jede Befragung auf einer, meist bundes- oder europarechtlichen, gesetzlichen Grundlage beruht. Insofern ist davon auszugehen, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch die Frage nach der Notwendigkeit der Erhebung beantwortet wurde. Natürlich ist es aber auch so, dass es die eine oder andere Erhebung gibt, welche in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern eine eher untergeordnete Rolle spielt, wie z.B. die Holzeinschlagstatistik. Dass diese im waldreichen Bayern oder Brandenburg eine andere Bedeutung hat, liegt auf der Hand. Dennoch ist jede einzelne Statistik für ein repräsentatives Gesamtbild von Bedeutung. Sollen Änderungen vorgenommen werden, dann steht und fällt alles mit einer Überarbeitung der gesetzlichen Grundlage.


Warum werden einige Unternehmen vom Statistischen Landesamt befragt, Berufskollegen aus der gleichen Region aber nicht?

 Hierbei kommt es zum einen darauf an, welche Art der Erhebung gesetzlich vorgeschrieben wurde, handelt es sich also um eine Teil- bzw. Stichprobenerhebung oder ist es eine Vollerhebung. Bei einer Stichprobenerhebung wird durch ein statistisch-mathematisches Verfahren eine repräsentative Auswahl aus allen Unternehmen getroffen, welche sozusagen stellvertretend für die Gesamtheit Auskunft geben müssen. Beispiele hierfür sind die Handels- und Gastgewerbestatistiken. Bei einer Vollerhebung findet hingegen, wie es der Name schon sagt, eine Befragung aller Unternehmen statt, welche bestimmte Merkmale aufweisen. Ein weiterer Grund, warum ein Unternehmen befragt wird, der Berufskollege aber vielleicht nicht, kann die sogenannte Abschneidegrenze sein. Wird diese nicht erreicht, erfolgt keine Befragung. Die Abschneidegrenze kann sich z.B. auf den Umsatz oder auf die Größe des Unternehmens beziehen. Im Bauhauptgewerbe werden beispielweise nur Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigen befragt. Wenn Sie sich also als Unternehmer fragen, warum Sie dabei sind und andere nicht, dann kann es in dem Fall sein, dass Sie eines der größeren Unternehmen in der Region führen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die bisweilen – nennen wir es – "behördendeutsche" Ansprache … Ist hier Besserung zu erwarten?

Verwaltungssprache ist immer eine Gratwanderung. Auf der einen Seite soll und muss diese natürlich verständlich und wertschätzend sein, auf der anderen Seite aber auch Rechtssicherheit für alle Beteiligten bieten und formalen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Wir sind uns als Statistisches Landesamt daher der Kritik durchaus bewusst und nehmen uns des Problems an. Als einen ersten Schritt haben wir im August 2021 das Projekt „Verbesserung der Kommunikation mit den Auskunftspflichtigen“ gestartet. Dieses soll, wie der Arbeitstitel schon verrät, zur Qualitätsverbesserung der Kommunikation beitragen. Neben Vereinfachungen soll den Auskunftsgebenden insbesondere auch verstärkt der Nutzen der amtlichen Statistik für sie selbst veranschaulicht werden. Im Rahmen der Projektumsetzung ist für uns daher die gute und enge Zusammenarbeit mit den Kammern als Interessenvertretungen ein großer Gewinn, für den ich sehr dankbar bin, denn so können wir gemeinsam noch gezielter auf Fragen, Schwierigkeiten oder auch Wünsche der Unternehmen eingehen.


Können Unternehmerinnen und Unternehmer einfach die Adresse info@stala.mi.sachsen-anhalt.de anschreiben, wenn Sie Fragen haben – und wie schnell kommt die Antwort?

Bei Fragen rund um die Erhebung (Formulare, Zugangsdaten, Meldewege etc.) können sich die Unternehmerinnen und Unternehmer an den Fachbereich wenden und werden direkt beraten. Die Kontaktdaten befinden sich auf den jeweiligen Anschreiben. Bei Fragen zu genauen Zahlen und Ergebnissen steht natürlich der Auskunftsdienst des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt unter info@stala.mi.sachsen-anhalt.de zur Verfügung.



Hinweis in eigener Sache:

Am 2. Februar 2022 startete der erste Workshop einer Diskussionsreihe mit Unternehmens- und Kammervertretern sowie dem Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt, um verfahrensseitig transparenter, einfacher und unbürokratischer für die Unternehmen zu werden. Im konstruktiven Austausch wurden konkrete, praktische Hürden seitens der Unternehmen aufgezeigt und daraus Arbeitspakete geschnürt, die im nächsten Schritt anzugehen sind.

Sollten auch Sie Anregungen oder kritisches Feedback zu den statistischen Berichtspflichten haben, teilen Sie uns diese gern mit.

Dorit Zieler

Abteilungsleiterin Betriebsberatung/Unternehmensförderung

Tel. 0391 6268-276

Fax 0391 6268-110

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