Von links: HWK-Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe, Prof. Dr. Jürgen Stember, Mandy Ebers und IHK-Hauptgeschäftsführer André Rummel
Von links: HWK-Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe, Prof. Dr. Jürgen Stember, Mandy Ebers und IHK-Hauptgeschäftsführer André Rummel

Studie zeigt: Verwaltungen brauchen Service-OffensiveProjektseminar an der Hochschule Harz

Wie unternehmens- und mittelstandsfreundlich ist die öffentliche Verwaltung in Sachsen-Anhalt? Mit diesem Thema hat sich die Hochschule Harz in Halberstadt in einer aktuellen Studie beschäftigt. Praxispartner waren die Industrie- und Handelskammer Magdeburg und die Handwerkskammer Magdeburg.

"Die befragten Unternehmen leiden erheblich unter der Bürokratie und den Vorgaben der Politik und den Verwaltungen”, fasste Prof. Dr. Jürgen Stember von der Hochschule Harz ein zentrales Ergebnis der Studie zusammen. Die Unternehmen würden von „echten Entwicklungs- und Investitionshemmnissen" sprechen. Neben der Digitalisierung seien es vor allem Aspekte eines deutlich verbesserten Service- und des Dienstleistungsmanagements, die von den Unternehmen gewünscht würden.  "Der Weg zur wirtschaftsfreundlichen Verwaltung in Sachsen-Anhalt ist noch weit", konstatierte Prof. Stember. "Die Verwaltungen haben noch ein sehr großes Potenzial und zahlreiche Möglichkeiten, die Qualität und den Service ihrer unternehmensbezogenen Dienstleistungen zu verbessern."

Das Verhältnis von Unternehmen und Verwaltungen seit darüber hinaus häufig durch kommunikative und formale Probleme gekennzeichnet, "die ohne einen bedeutenden finanziellen Aufwand zu lösen sind", zeigte Prof. Stember einen Lösungsweg auf.

Prof. Dr. Jürgen Stember und Mandy Ebers schlagen als Autoren der Studie unter anderem eine "umfassende Service-Offensive für die Verwaltungen in Sachsen-Anhalt in nahezu allen qualitätsrelevanten Bereichen", einen "umfassenden Einstieg in die Digitalisierung und Professionalisierung der Kundenbeziehungen" sowie einen "Kulturwandel zur Dienstleistungs- und Partnerorganisation" vor.

"Wir haben als IHK Magdeburg das Projekt sehr gern begleitet, weil Studierende der Verwaltungswissenschaften für das Thema unternehmerfreundliche Verwaltung sensibilisiert wurden", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer André Rummel. Ein Kulturwandel in den Verwaltungen hin zu mehr Serviceorientierung, wie von Prof. Stember angeregt, könne nur gelingen, wenn die Akteure selbst eigene Prozesse und Angebote hinterfragen, fügte Rummel hinzu. "Nachhaltige Entbürokratisierung und unternehmensorientiertes Agieren kann man nicht von außen oktroyieren. Beides muss eigenmotiviert umgesetzt werden."

"Gegenseitiges Verständnis und Kommunikation zwischen Wirtschaft und Verwaltung sind laut Umfrageergebnissen nur rudimentär ausgeprägt. Der Handlungsbedarf ist groß", kommentierte Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. "Wir brauchen dringend wirkungsvolle Formate, die eine Annäherung bringen. Erst wenn das Verständnis für die Belange des anderen vorhanden ist, können gemeinsam neue Wege erfolgreich gegangen werden."

Im Gespräch mit Prof. Dr. Stember:

Was war der Anlass für Ihre Studie?

Unter anderem hat sich die Landesregierung im Bundesland Sachsen-Anhalt das nicht wenig anspruchsvolle neue Ziel gesetzt, das mittelstandsfreundlichste Bundesland zu werden. Dies war der eigentliche inhaltliche Ansatz, um herauszufinden, wie der Stand der unternehmerfreundlichen Verwaltung hier ist.

 Wie kam es zur Zusammenarbeit mit IHK und Handwerkskammer Magdeburg?

Vor dem Hintergrund der genannten Thematik haben wir den vorhandenen Draht zur IHK und auch zur HK über andere Projekte genutzt. Nach einigen Gesprächen mit Frau Dörrwand und Frau Zieler zeichneten sich dann schnell Konturen einer möglichen interessanten Zusammenarbeit ab. So entstand schließlich das Projekt mit fast 25 Studierenden am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz. 

Wie sind Sie vorgegangen?

In ersten Vorgesprächen wurden einige Perspektiven des breiten Verhältnisses der Unternehmen zu Verwaltungen aufgenommen, die dann als einzelne inhaltliche Schwerpunkte in den studentischen Arbeitsgruppen einer näheren Untersuchung unterzogen werden sollten. Unter anderem ging es um Aspekte der Verwaltung, z.B. die Eignung von Vergleichsringen, Awards oder Gütesiegeln, aber auch um die Perspektive der Unternehmen, z.B. im Hinblick auf Erfahrungen, Bewertungen und das Mittelstandsförderungsgesetz.

Methodisch wurde auf eine große Unternehmensbefragung gesetzt, die durch Interviews von Unternehmens-, aber auch Verwaltungsvertretern ergänzt wurde. So haben wir wertvolle repräsentative Ergebnisse erhalten.

Welches sind im Kern die Ergebnisse?

Im Kern haben wir relativ große Potenziale für die Umsetzung von Unternehmensfreundlichkeit identifizieren können. Dabei wurden neben den inhaltlichen Vorgaben seitens der Unternehmen vor allem die mangelnden Serviceaspekte der Verwaltungsdienstleistungen in den Fokus gerückt. Hier gebe es noch viel im Hinblick auf Verständlichkeit, Erreichbarkeit, Digitalisierung, Schnelligkeit und Flexibilität zu tun.

Bei den Verwaltungen hingegen ist es kaum üblich, die eigenen Verwaltungsdienstleistungen in Frage zu stellen oder auch nur kritisch in Bezug auf die Zielgruppe zu reflektieren. Genauso problematisch sind die fehlenden digitalen Angebote.

Was war die überraschendste Erkenntnis?

Dass die Unternehmen Bürokratie kritisieren, ist nicht neu und war erwartbar. Dass jedoch die meisten Unternehmen so differenziert und vor allem so konstruktiv-kritisch mitgewirkt haben, war für uns dann schon etwas überraschend.

Was empfehlen Sie, um Verwaltungen unternehmerfreundlicher zu gestalten?

In unserer Studie haben wir einen umfangreichen Empfehlungskatalog aufgestellt, der umfangreiche konkrete Schritte und Möglichkeiten beinhaltet und den wir in der Metaphorik einer „Passstraße“ beschrieben haben. Es geht uns dabei vor allem darum, dass die Verwaltungen diese Vorschläge als Chance für eine Verbesserung ansehen, ihre Dienstleistungen im Sinn eines umfassenden Qualitätsmanagements zu überdenken und einen prozessualen Verbesserungsweg anstoßen. Und damit wäre dann auch ein grundlegender kultureller Wandel von einer „Behörde im klassischen Sinn“ zu einem „modernen Dienstleistungsunternehmen“ verbunden.

Wie kann das gelingen?

Wir haben keine Anklageschrift verfasst, sondern versucht, die Voraussetzungen, Bewertungen und Anliegen beider Seiten so gut als möglich zu berücksichtigen und gegenüber zu stellen. Insofern liegen die Defizite und mögliche Lösungswege auf dem Tisch. Es kommt jetzt darauf an, daraus praktische Initiativen und Umsetzungsaktivitäten zu entwickeln. Und das ist dann am erfolgversprechendsten, wenn man einen starken Koordinator im Land findet.

Was sollten die an der Studie beteiligten Studierenden der Verwaltungswissenschaften in ihrem späteren Berufsleben in der Verwaltung unbedingt beherzigen?

Für die Studierenden ist das ein wichtiges und vor allem sehr praxisnahes Seminar gewesen, innerhalb dessen wir viel gearbeitet und diskutiert haben. Wir hoffen natürlich, dass die Studierenden die wertvollen und wichtigen Erfahrungen, dass man eben nicht nur sich selbst, sondern auch immer den Adressaten des eigenen Handelns sehen und berücksichtigen muss, in ihren Berufsalltag mitnehmen. Insofern sollten sie diese „Kultur“ idealerweise in die Verwaltungen transportieren.



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Die Studie zum pdf-Download: